Verkehrsprojekt Deutsche Einheit
Eines der wichtigsten Wirtschaftszentren Deutschlands ist seit vielen Jahrzehnten das mitteldeutsche Braunkohle- und Industriegebiet. Zwischen Leipzig und Chemnitz, ehedem Sitz zahlreicher bekannter deutscher Traditionsunternehmen, herrschte schon in den frühen Jahren des Automobils so starker Verkehr, daß bei Penig Deutschlands erste planfreie Kreuzung mit Überführung und zwei Anschlußästen auf der seit 1932 „Reichsstraße 95“ genannten Verbindung mit der R 175 ab Mai 1926 erbaut wurde. Auch zu „DDR-Zeiten“ herrschte auf der, nun „Fernstraße 95“ genannten, Verbindung reger Verkehr, so daß zwischen Leipzig und Borna zahlreiche Kilometer vierstreifig ausgebaut wurden. Dem explosionsartig gestiegenen Verkehr nach der „Wende“ 1989 war diese Straße, mit engen Radien, winkligen Ortsdurchfahrten, reichlich betagten Brücken und Abschnitten aus Kopfsteinpflaster nicht mehr gewachsen. Eine der am stärksten befahrenen Bundesstraßen war auch zugleich eine der Bundesfernstraßen mit einem der ungünstigsten Ausbauzustände. Bei Penig befuhren bis zu 16.000 Kfz, mit Schwerverkehrsanteilen zwischen 10 und 26%, im Tagesdurchschnitt die hier nur zweistreifige Straße. Im vierstreifigen Abschnitt bis Böhla sind es sogar fast 25.000 Kfz. Nach intensiver Untersuchung und Prüfung fiel die Entscheidung zu Gunsten eines Autobahnneubaues, welcher die historische Autobahn A 72 (Hof – Chemnitz) über das bisherige Dreieck Chemnitz nach Leipzig verlängert, im ersten gesamtdeutschen Bundesverkehrswegeplan 1992.
Das damalige Autobahnamt Sachsen legte drei Hauptvarianten vor. Die 62 Kilometer lange Gesamtstrecke wurde in acht Bauabschnitte aufgeteilt.
1.1 Autobahnkreuz Chemnitz - Hartmannsdorf 1.2 Hartmannsdorf - Niederfrohna 2 Niederfrohna - Rathendorf 3.1 Rathendorf - Frohburg 3.2 Frohburg - Borna 4 Borna 5.1 Borna - Rötha 5.2 Rötha - A 38
Eine Weiterführung der Strecke nördlich der A 38 wurde von der Stadt Leipzig 2013 abgelehnt.
Im Bauabschnitt 1.1. erfolgte am 21.November 2003 der symbolische 1. Spatenstich. Für die Neubaustrecke wurde ein Regelquerschnitt von 29,5 Metern gewählt.
Der Weg zur Vierstreifigkeit zwischen den beiden Städten Leipzig und Chemnitz war kein leichter. Klagen von Umweltschützern und Firmen, Auswirkungen von Korruptionsskandalen an anderen Baustellen, Bauverzögerungen, hohe Grundwasserstände, eine gegenüber den Erwartungen deutlich größere ehemalige Mülldeponie und Böschungsrutschungen haben die ursprüngliche Fertigstellung zur WM 2006 bis Borna ad absurdum geführt.
Die gesamte Linienführung, die Großbauwerke der Talübergänge und zahlreiche Brücken stellen dennoch eine gesamtplanerische und bauliche Meisterleistung dar. Diese wird durch äußerst umfangreiche Schutzmaßnahmen für Natur- und Landschaft veredelt. Eine Grünbrücke, zahlreiche Amphibien- und Kleintierdurchlässe, Fledermausquerungshilfen, viele Kilometer Wildschutzzäune, besonderer Schutz von einzelnen Bäumen und Baumgruppen sowie Biotopen sind die wichtigsten Umsetzungen der ausgeprägten Renaturierungs- und Rekultivierungsmaßnahmen.
Bislang einmalig in Deutschland ist auch die Finanzierung dieser Strecke. Als Bundesfernstraße ist für die Autobahnen als Finanzier der Bund zuständig. Aufgrund der hohen Bedeutung für die Region beteiligt sich das Land Sachsen bis 2015 mit rund 45 Millionen euro an der Finanzierung der auf gut 600 Millionen euro geschätzten Gesamtkosten.
Leipzig und Chemnitz sind mit A 72, B 95 und B 2 seit dem 9. August 2013 durchgehend vierstreifig mit einander verbunden. Zwar lobte die Politik über alle Parteigrenzen hinweg die Fertigstellung der beiden Bauabschnitte, kritisierte aber gleichzeitig die lange Bauzeit. Bei der Erweiterung von der Industrie- zur Wirtschafts- und Tourismusregion erwartet man von der durchgehenden Verbindung weitere Verbesserungen bei der Erreichbarkeit.
|