Die Geschichte des Autobahnpioniers Hans Lorenz
Das Buch ist HANS WILHELM LORENZ (1900-1975) gewidmet, dem „Altmeister des deutschen Straßenentwurfs“, wie er postum genannt wird.
Das Vorwort stammt von Dr.-Ing. PETER REICHELT, Präsident und Professor der Bundesanstalt für Straßenwesen i.R., dessen Vater WOLFGANG REICHELT als Leiter der Planungsaußenstelle Würzburg an entscheidender Stelle am Projekt der Autobahn Frankfurt–Nürnberg beteiligt war. Das Geleitwort hat Univ.-Prof. Dr.-Ing. KLAUS BOGENBERGER verfasst, einer der derzeit erfolgreichsten deutschen Verkehrsforscher und weithin bekannt als Dauergast des Sonntagsstammtischs des Bayerischen Fernsehens. Nicht zuletzt ist der heute 93-jährige Prof. Dr.-Ing. HEINRICH PRAXENTHALER zu nennen, von 1971 bis 1991 Präsident der Bundesanstalt für Straßenwesen. Nach mehrjähriger Abordnung zum Bundesverkehrsministerium in Bonn als junger bayerischer Baurat kommt er Anfang 1958 in die Bauleitung Marktheidenfeld, wo er seinen Einstand rückblickend mit folgenden Worten beschreibt: „Ich war ‚newcomer‘, Ernst Fickert der Chef, ein wunderbarer!“ Aus seinem Privatarchiv hat PRAXENTHALER wichtige Dokumente, darunter wertvolle Unikate, für den Buchteil „Spessartlinie“ beigesteuert.
HANS LORENZ prägt vor und nach 1945 maßgebend die Gestaltung und die Sicherheit der Autobahnen und Landstraßen. Eines seiner Lieblingsthemen ist die Wechselwirkung zwischen Funktionalität und Formschönheit der Straße, ein anderes ihre behutsame Einbindung in die Landschaft. Es überrascht, dass der ästhetische Straßenbau kein Syndrom des Automobilzeitalters ist, seine Wurzeln sind uralt. Andererseits weisen viele Aussagen von LORENZ in die Zukunft, manche sind von geradezu atemberaubender Aktualität. Lassen wir ihn selbst zu Wort kommen: „Der Straßenbauer soll bei jeder Maßnahme, die er für einen bestimmten Zweck plant, daran denken, wie sie sich auch unter den anderen Gesichtspunkten auswirkt.“ Dieser Grundsatz des umfassenden Abwägens, der unabhängig vom Straßenbau ganz allgemein gilt, ist in einer Zeit der singulären Scheinlösungen mit überstürzt einberufenen Sonderkommissionen, mit „heißer Feder“ geschriebener Gesetzentwürfe oder sonstiger Schnellschüsse zur Lösung irgendeines gerade aufgetauchten Problems nicht hoch genug einzuschätzen. Manches Umweltdebakel wäre uns erspart geblieben, wenn man „vorher gedacht“ hätte. Oder: „Ein Volk und seine Wirtschaft brauchen Land für Verkehrswege, für Siedlungen, für Industrie, zur Erholung und Ernährung. Wo, wann und wofür Land gebraucht wird, hängt von der gesamten Entwicklung ab. Das ist eine Gleichung mit vielen Unbekannten, es ist das Leben selbst und von diesem Leben ist die Straße ein Stückchen.“ Diese These möchte man den Beteiligten an der gegenwärtig hochkochenden Flächenverbrauchsdiskussion ins Stammbuch schreiben, abgesehen davon, dass der Begriff „Verbrauch“ irreführend ist: Die Fläche ist ja nach wie vor da und wäre relativ einfach rekultivierbar – im Gegensatz zur Beseitigung des Plastikmülls in den Weltmeeren, der Pestizid- und Antibiotikarückstände in Boden und Grundwasser oder gar der radioaktiven Hinterlassenschaften unserer Zivilisation. Schließlich fragt HANS LORENZ ausgehend von der Fehleinschätzung, dass die schöne Umgebung nur für den Feierabend und die Urlaubszeit relevant sei: „Arbeiten wir nicht gerne in einem schön eingerichteten Büro und lieben den Blick durchs Fenster auf einen schönen Platz oder auf eine Grünfläche statt in einen grauen Hinterhof? Wohnen wir nicht gerne in einer schönen Stadt? Wollen wir nicht alle die Kultur auch im Alltag? Sogar im D-Zug-Wagen, sogar an und in unserem Auto?“ Nach neueren wissenschaftlichen Studien bewirken ästhetische Sinneseindrücke beim Homo sapiens die Ausschüttung von Glückshormonen und damit Wohlbefinden. Vielleicht besinnt man sich auf diesen über Jahrtausende kulturtragenden Zusammenhang – auch im Straßenbau; denn die Autobahnästhetik ist weitgehend auf der Strecke geblieben. Wenn man eingedenk einstigen Panoramagenusses in den umfeldbedingten „Lärmschutzkanälen“ heutiger Autobahnen dahinfährt, möchte man frei nach THEODOR FONTANE ausrufen: „Wo immer die Welt am schönsten war, da ist sie öd' und leer.“ Da sind auch die kunterbunten Brücken Marke PIPPI LANGSTRUMPF, die den Autobahnnutzer neuerdings beglücken, immer nur Balsam für den Moment.
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