Rodenkirchen 10

 

 

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A 4 Grenzöffnung an der Anschlußstelle Gerstungen

1943 - 1989

(eA) Nachdem der Obersten Bauleitung der Reichsautobahnen (OBR) Kassel klar war, daß die Richelsdorfer Talbrücke während des Zweiten Weltkriegs nicht mehr fertig gestellt werden konnte, wurde die heutige Anschlußstelle Gerstungen zur Umfahrung dieser Lücke in einer Sonderform eingerichtet. Beide Äste der Anschlußstelle – jeweils an einer Richtungsfahrbahn gelegen - wurden im Gegenverkehr befahren und in der Mitte die Straße von Untersuhl nach Richelsdorf für den extrem geringen Verkehr ausgebaut. An der Autobahn selber war nur die Richtungsfahrbahn Eisenach fertiggestellt worden.
Mit Stichtag vom 1. Juli 1943 wurden zwischen Sorga und Herleshausen 34,8 Kilometer einbahnige Reichsautobahn – die letzten Kilometer vor 1945 überhaupt – für den Verkehr freigegeben.
Der OBR Kassel war es damals ziemlich egal, daß der Ast („West“) der Richtungsfahrbahn Eisenach, nach ca. 300 Metern, dabei die Verwaltungsgrenze zwischen Hessen und Thüringen kreuzte. Die DDR sah das nun später ganz anders. Hier war es die „Staatsgrenze West“, welche ab 1952 abgeriegelt und immer mehr unpassierbar gemacht wurde. Stacheldraht, Metallgitterzäune, Spanische Reiter und schreckliches mehr, sowie eine umfassende Überwachung, trennten nun Arbeitskollegen, Freunde, Nachbarn und Familien.
Auf Thüringer Seite durfte die Autobahn nur noch von Grenzorganen der DDR genutzt werden. Auf hessischer Seite waren - neben dem Bundesgrenzschutz (BGS) und der US-Army – gerne Jungendliche aus den nahen Ortschaften unterwegs, die dort z.B. Mofa fahren übten.
Wollten Hessen ihre Verwandten in den gegenüberliegenden Orten in Thüringen besuchen, so mußten Sie einen Umweg von rund 60 Kilometern über die Grenzübergangsstelle in Eisenach fahren. Nach der Grenzöffnung in der Nacht vom 9. auf den 10.November 1989 galt gleicher Weg nun auch für die Thüringer, die erstmals nach Jahrzehnten wieder „in den Westen“ durften. Allerdings hatten sich am Wochenende auf der Autobahn zur Grenze stundenlange Staus bis ins 70 Kilometer entfernte, östlich gelegene, Gotha gebildet.
So kam es zur Öffnung des Anschlußastes „West“ und vieler weiterer Straßen. Dieses Geschehen wurde vom Geschichtsverein Wildeck – in Text und Bild - detailreich dokumentiert und darf freundlicher Weise hier wiedergegeben werden.

1989_Mai Grenze Autobahn Obersuhl Grenzöffnung Geschichtsverein Wildeck Mauerfall Gerstungen Untersuhl

Grenzöffnung am Sonntag, 12. November 1989, 10.00 Uhr,
auf der A 4 im Bereich der Abfahrt nach Untersuhl/Gerstungen
von Willi Müller, Bürgermeister Wildeck

Nachts gegen 24 Uhr auf der A 4
(Geschichtsverein Wildeck) Gegen 23.00 Uhr rief mich ein Beamter des Zollkommissariats Obersuhl an und bat mich, zur Grenze im Bereich der A 4 zu fahren. Zwei Zollbeamte seien dort. Auf DDR Seite der A 4 – Abfahrt in Richtung Untersuhl / Gerstungen - werde gearbeitet. Man vermute, dass die Öffnung der Grenze vorbereitet werde. Ich fuhr umgehend zur A 4 Grenze und traf dort die beiden Zollbeamten Heinrich Weitz und Manfred Ries. Sie bestätigten die Angaben des Kommissariats. Wir hörten aus der Dunkelheit in Richtung Untersuhl die Arbeitsgeräusche. Nun wollte ich natürlich wissen, was die DDR Seite beabsichtigte. Ich rief in die Dunkelheit und bat um Rückmeldung. Niemand antwortete. Dann sah ich nur noch die Möglichkeit, über die Grenze in Richtung Grenzzaun zu gehen, um dort ggfs. Kontakt zu den DDR Grenzsoldaten aufzunehmen. Ich ging über die gelb markierte Grenzlinie ca. 20 m auf DDR Gebiet. Plötzlich tauchten aus der Dunkelheit DDR Grenzsoldaten auf und forderten mich auf, sofort das Gebiet der DDR zu verlassen. Ich blieb stehen, teilte den Soldaten meinen Namen und meine Funktion als Bürgermeister der Gemeinde Wildeck mit und bat um ein Gespräch mit dem zuständigen Offizier.
Nach kurzer Zeit kam ein Major der Grenztruppen der DDR auf mich zu und sprach, ohne sich vorzustellen, in einem barschen Ton: “Was wollen sie?“. Ich antwortete: „Ich bin Bürgermeister der Gemeinde Wildeck, mein Name ist Willi Müller. Ihre Leute arbeiten an der A 4 Abfahrt. Ich nehme an, dass Sie morgen die Grenze in diesem Bereich öffnen werden. Informieren Sie mich doch bitte über die genaue Uhrzeit, damit wir auf unserer Seite entsprechende Maßnahmen ergreifen können.“
„Wir haben alle Angaben nach Bonn gemeldet, sie sind also informiert“, war seine Antwort. „Bonn ist weit“, antwortete ich, „wir haben noch keine Nachricht erhalten. Ich bitte sie daher, mir die von ihnen geplante Öffnungszeit zu nennen.“ Nach kurzem Zögern sagte er: „Die Grenze wird an dieser Stelle morgen um 10.00 Uhr geöffnet“. Meine Antwort: „Ich danke ihnen, wir werden sofort alle notwendigen Maßnahmen einleiten. Darf ich Ihnen die Hand geben?“ Der Major zögerte kurz und gab mir dann die Hand. Einige Wochen später, bei einer Besprechung mit DDR Offizieren in Thüringen kam ein Major auf mich zu und bat unter Hinweis auf diese eben geschilderte nächtliche Begegnung um Entschuldigung für sein unfreundliches Verhalten. Er sei, so seine Begründung, durch die sich überschlagenden Ereignisse sehr verstört gewesen. Sein Name: Major Fleischmann vom Grenzkreiskommando 304 Eisenach.

Bundesgrenzschutz, Autobahnmeisterei und Bauhof der Gemeinde legen los
Ich ging zurück zu unseren Zollbeamten. Nun wurden über die Zolldienststelle der Bundesgrenzschutz in Bad Hersfeld und die Autobahnmeisterei Hersfeld informiert. Auch unseren Bauhof, Vorarbeiter Georg Kaufmann, den Obersuhler Ortsvorsteher Josef Keck, die HNA, Herrn Redakteur Niesen u.a. informierte ich. Bald begannen auf unserer Seite der Grenze die Arbeiten, um die A 4 bis 10.00 Uhr für den Verkehr fahrbar zu machen. Vom Bundesgrenzschutz rückte gegen 03.00 Uhr Polizeioberrat Gerhard Beyer, Kommandeur der Hersfelder Abteilung, mit seiner Mannschaft, darunter auch Pioniere, an. Zuvor war der BGSler Hans-Karl Gliem aus Obersuhl schon vor Ort, wurde aber zur Abteilung befohlen. Von der Autobahnmeisterei traf Herr Lehn als Autobahnmeister mit seinen Mitarbeitern und auch Vorarbeiter Georg Kaufmann vom Bauhof Wildeck ein. Kaufmann hatte den Auftrag, mit dem Gemeindebagger die provisorische Auf- und Abfahrt zum Feldweg oberhalb der A 4 Brücke - der Weg führte nach Obersuhl - Wachhöhlenweg/Zur Wache – zu planieren und zu und schottern.

1989_11-12 -10.01 Uhr erste PKW Autobahn Obersuhl Grenzöffnung Autobahn Geschichtsverein Wildeck Mauerfall Gerstungen

Öffnung der Grenze um 10.00 Uhr am 12. November 1989
Um 10.00 Uhr waren alle bereit. Wir standen direkt an der Grenze, um die Besucher aus unseren Nachbargemeinden freundlich zu empfangen. Ortsvorsteher Josef Keck hatte in der Nacht -gegen 05.00 Uhr- von Schreinermeister Günter Schubert ein großes Begrüßungsschild anfertigen lassen. Farbe bekam er von Frau Christa Gohmert aus den Drogeriebeständen gegen 06.00 Uhr, anschließend malte Paul Bachmann die Begrüßungsworte „Herzlich Willkommen in Wildeck“ auf das Schild.
Viele Wildecker hatten sich mittlerweile eingefunden, um dieses historische Geschehen unmittelbar zu erleben.
Leitende Beamte des Bundesgrenzschutzes (Kommandeur Joachim Poddig aus Kassel, Polizeioberrat Gerhard Beyer, Polizeioberrat Diele, Polizeioberkommissar Hans Rieger und Offiziere der DDR Grenztruppen (Major Rothardt, Major Obenauf) besprachen um 07.20 Uhr Einzelheiten der Grenzöffnung der späteren Einrichtung von Grenzposten. Bild- und Filmaufnahmen wurden von BGS-Beamten gefertigt.

Es wurde immer spannender. Dann, Punkt 10.00 Uhr, ein Radfahrer und die ersten Fahrzeuge kommen auf der A 4 Auffahrt von Untersuhl hoch. Mit Jubel wurden die Besucher begrüßt. Man schüttelte sich die Hände und umarmte sich. Viele der Anwesenden hatten Tränen in den Augen. Nach 40 Jahren wieder eine offenen Grenze. Verwandte, Freunde, Schulkameraden konnten sich wieder unmittelbar treffen.
Im Laufe des Vormittags, während ununterbrochen die Trabis und Wartburgs Richtung Westen – über die in der Nacht geschaffene provisorisch Auf- und Abfahrt nach Obersuhl - fuhren, kamen auch die Vertreter der Politik: Landrat Norbert Kern, Mdl Bernd Schleicher, Staatssekretär Reinhold Stanitzek, Finanzpräsident Henting, Innenminister Gottfried Milde, Ministerpräsident Dr. Walter Wallmann (letztere kamen mit Hubschraubern).
Auch Presse- und TV –Teams aus ganz Deutschland waren vor Ort.

1989_11-12 -10.05 Uhr Autobahn Obersuhl Grenzöffnung Geschichtsverein Wildeck Mauerfall Gerstungen Untersuhl

In Obersuhl sammelte sich den Tag über eine riesige Menschenmenge. Geschäfte hatten geöffnet. Die Gemeinde zahlte das Begrüßungsgeld, dass oftmals sofort wieder in den örtlichen Geschäften ausgegeben wurde.

Als das Geld bei der Gemeinde knapp wurde und auch die Sparkasse nicht sofort aushelfen konnte, habe ich in einigen örtlichen Geschäften gegen Quittung bis zu 10.000 DM geliehen. Diese Beträge wurden wieder umgehend ausgezahlt. Es herrschte Aufbruchsstimmung. Alle waren voller Optimismus.
Örtliche Vereine, aber auch Privatleute, versorgten die Besucher mit Getränken und sonstigen Erfrischungen. Die Feuerwehr regelte den Verkehr bis spät in die Nacht.
Über Obersuhl lag eine Dunstglocke aus Zweitakter-Abgasen der Trabis und Wartburgs. Am Nachmittag setzte der Rückreiseverkehr ein. Da an der A 4 Anschluss-Stelle Obersuhl eine Auffahrt in Richtung Osten fehlte, wurde der Verkehr über die Brückenstraße, Zur Wache und von dort oberhalb der A 4 Brücke über die Behelfsauffahrt wieder auf die A 4 geführt
Ab 17.00 Uhr erfolgte der Rückreiseverkehr. Eine kilometerlange Autoschlange bewegt sich in Richtung Osten.

1989_11-12 -10.50 Uhr Grenzöffnung Autobahn Obersuhl Geschichtsverein Wildeck Mauerfall Gerstungen Untersuhl

Einsatzmaßnahmen des Bundesgrenzschutzes im November 1989
von Hans-Karl Gliem aus Obersuhl, damals Angehöriger im Sachgebietes Sicherheit (I/S) bei der Grenzschutzabteilung Mitte 2 Bad Hersfeld

(Geschichtsverein Wildeck) In der Nacht zum 12.11.1989 dann die tatsächliche Grenzöffnung zwischen Hessen und Thüringen durch die Einrichtung von zunächst vier neuen Grenzübergängen an bereits ehemals wichtigen Verkehrsadern Witzenhausen - Hohengandern, Wanfried - Katharinenberg, Autobahn bei Obersuhl (Grenzabschnitt BGS Bad Hersfeld) und Philippstal - Vacha.
In einer Nacht- und Nebelaktion wurde der Grenzübergang Autobahn bei Obersuhl am 12.11.1989 um 10.00 Uhr geöffnet. Schon am Vortag gegen 23.30 Uhr wurde ich durch meinen Abteilungskommandeur Polizeioberrat Gerhard Beyer über eine geplante Öffnung der Grenze informiert. Beyer bekam den Auftrag: Am kommenden Morgen ist die Grenze geöffnet, die Hindernisse auf der Fahrbahn beseitigt und die aufgerissene Fahrbahn wieder befahrbar. Es war eine große Herausforderung für den BGS. Um dies alles zu koordinieren, musste ich Dienst in der Abteilung Bad Hersfeld verrichten. Nachts wurde Teer in einer Firma gekocht, die eigentlich geschlossenen hatte. Verkehrsschilder wurden u.a. durch die Autobahnmeisterei Bad Hersfeld aufgestellt, Verkehrslenkungsmaßnahmen in und um Obersuhl durch die Polizeistation Rotenburg/Fulda vorbereitet und Absperrungen auf der Autobahn durch Fachkräfte des BGS Bad Hersfeld beseitigt. Am 12.11.1989 um 09.00 Uhr waren wir betriebsbereit, dies meldete ich auf Weisung meines Abteilungskommandeurs an das Grenzschutzkommando Mitte in Kassel. Danach hin fuhr ich sofort von Bad Hersfeld zur Autobahn Obersuhl, um das historische Ereignis in meinem Heimatort miterleben zu können.

Kurzbeschreibung Grenzöffnung Autobahn Obersuhl am 12.11.1989
Um 09.45 Uhr erreichte ich dann die (noch) stillgelegte Autobahn bei Obersuhl und was ich da sah, übertraf alle meine Erwartungen. Hunderte von Menschen aus ganz Hessen säumten schon rechts und links die Autobahn in großer Erwartung.
BGS-Beamten haben Mühe, die Menschenmassen unter Kontrolle zu bekommen. Sie sangen „So ein Tag, ……“ und dabei ließen sie die Sektkorken knallen. Bürgermeister Willi Müller und Ortsvorsteher Josef Keck hielten ein Schild hoch: “Herzlich Willkommen in Wildeck“. Medienvertreter regional und überregional hatten ihre Kameras aufgebaut und ihre Fotoapparate waren „schussbereit“. Der Durchlass im Metallgitterzaun auf der Autobahn und die zusätzliche Kfz-Sperre („Igel“ Spanische Reiter) waren abgebaut bzw. entfernt. Die Autobahn war auf beiden Seiten notdürftig von Gestrüpp, Gras und Erde entfernt. Angehörige der DDR-Grenztruppen standen 50 Meter von uns entfernt noch sehr ungläubig herum. Am Hinterlandzaun an alten Straße Richelsdorf – Untersuhl (DDR) strömten immer mehr Menschen zusammen.Fahrzeugschlangen (überwiegend Trabis) aus Richtung Untersuhl bildeten sich. Ein Hubschrauber landete neben der Autobahn und der hessische Innenminister Milde verlies die Maschine. Bereits vor Ort waren weitere Landes- Kreis und Kommunalpolitiker, u.a. Landrat Kern und MdL Stanizek. Ich verstand die Welt nicht mehr. Hätte mir jemand dies vor Wochen prophezeit, den hätte ich für verrückt erklärt.

1989_11-12-11.25 Uhr Herzlich Willkommen Grenzöffnung Autobahn Geschichtsverein Wildeck Mauerfall Gerstungen Untersuhl

Und dann war es soweit. Um 10.00 Uhr wurde die Autobahn freigegeben. Aus dem Nebel heraus trat zuerst ein Fahrradfahrer, der mit beiden Armen winkte. Dann kam ein Trabi, dessen Fahrer wild die Lichthupe betätigte. Nun folgten Autos auf Autos, Radfahrer und Fußgänger. Es spielten sich herzzerreißende Szenen nach den Jahrzehnten der Trennung ab; Volksfeststimmung! Ich hörte immer wieder die Worte: „Freiheit, Reisefreiheit. Wir sind frei.“ Von den Westdeutschen Bürgern erklang Beifall auf. Sie riefen immer wieder: „Herzlich Willkommen.“ Fremde Menschen lagen sich in den Armen. Dabei wurden kaum Worte gewechselt. BGS- und Zollbeamte schüttelten Grenzsoldaten der DDR die Hände. Was war geschehen? Ich konnte es immer noch nicht realisieren. Horst Schaub, Heino Bachmann (Zoll), Holger Schmidt und ich (BGS), alle Obersuhler, wir schauten uns nur fragend an. Es fehlten uns einfach die Worte. Immer mehr Menschen aus der DDR überquerten die Grenze. Immer mehr Bundesbürger erschienen zur Begrüßung. BGS-Beamte versuchten die Situation in den Griff zu bekommen. Es fiel ihnen sehr schwer. Langsam begann der Verkehr in Richtung Westen zu fließen. Die Ortsgruppe des DRK Obersuhl bot warme Getränke an, was auch dankend angenommen wurde.
Es waren bereits Stunden vergangen und der Besucherverkehr nahm nicht ab. Einige Bundesbürger schlichen sich an den BGS-Beamten vorbei und betraten DDR-Gebiet. An der provisorisch eingerichteten Kontrollstelle der DDR-Grenztruppen an der Straße Richelsdorf-Untersuhl wurden sie nach Reisepass und Visum gefragt. Da keiner dies vorzeigen konnte wurden sie höflichst gebeten, dass Gebiet der DDR wieder zu verlassen.

13.30 Uhr: Gerhard Bayer, Kommandeur der Hersfelder BGS-Abteilung sprach mit Major Rothardt in mitten der Besucher über die Aufhebung der Sperrzone in der DDR. Rothardt sagte zu, dass heute Abend bereits die Sperrzone aufgehoben wird und Bundesbürger in 2-3 Tagen ohne Visum in die DDR einreisen können. Tobender Beifall entfachte.
13.50 Uhr: Eine Trachtengruppe aus Herda (DDR) marschierte mit Musik und Tanz in Richtung Grenzlinie. Ein wunderbarer Anblick! Mein Kommandeur eilte sofort hinzu und unter tobenden Beifall ergriff er eine Dame der Gruppe und es wurde zu den Klängen eines Schifferklaviers getanzt. Einmalig gut!
15.00 Uhr: Dr.Wallmann, hessischer Ministerpräsident, traf mit einem Polizeihubschrauber ein, begrüßte und unterhielt sich mit vielen Beteiligten. „Sie alle, drüben wie hüben, haben dazu beigetragen, dass wir heute diesen denkwürdigen Tag erleben dürfen“, sagte Dr. Wallmann.“
15.30 Uhr: Ein guter Bekannter, der gerade aus der Ortschaft Obersuhl kam, beschrieb mir die dortige Situation: „Ein Verkehrschaos im Ort, Schlangen vor dem Rathaus; alle wollen zuerst das Begrüßungsgeld empfangen, Andrang in allen Geschäften, Volksfeststimmung an vielen Orten, hauptsächlich im Bereich der Geschäfte Strahl und Schimmelpfennig. Hier feiern Hunderte Personen aus Ost und West zusammen mit der Trachtengruppe aus Herda mit Musik und Tanz“.
17.00 Uhr: Eine Vielzahl von DDR-Fahrzeugen trat die Rückreise an. Es bildete sich eine Autoschlange bis in den Ort Obersuhl hinein. Bundesbürger riefen: „Auf Wiedersehen“. DDR-Bürger winkten und bedankten sich für den wundervollen Tag.

Ein ereignisreicher und denkwürdiger Tag ging langsam zu Ende! Trotz aller Freude über das Ereignis hatte ich Kopfschmerzen. Wohl von den Auspuffgasen der vielen „Zweitakter“. Um 19.00 Uhr war mein Dienst beendet. Zuhause in Obersuhl sprach ich noch lange mit meiner Frau über diesen Tag. 
In den Folgetagen wurden u.a. 2 Container für Kontrollen durch den BGS und Zoll aufgestellt, die ehemals stillgelegte Autobahn wurde provisorisch für den Verkehr hergerichtet, Verkehrsschilder wurden aufgestellt, Schulklassen aus der Grundschule Obersuhl begrüßten die einreisenden DDR-Bürger und Besucher aus ganz Deutschland informierten sich.

1989_11-12 Grenzöffnung Autobahn Obersuhl Geschichtsverein Wildeck Mauerfall Gerstungen Untersuhl

(Willi Müller) Da die Fußgänger von und nach Gerstungen-Untersuhl über die A 4 Abfahrt gehen mussten, wurden auf der A 4 ein Sicherheitsstreifen geschaffen und in Obersuhl ein geschotterter Fußweg - gesichert mit Absperrband und Holzbarriere - oberhalb des Hühnerhofes entlang der Autobahn-Böschung, teilweise auf dem Grundstück von Hans-Karl Mißler, der den erforderliche Streifen zur Verfügung stellte, und schräg den Hang hoch bis zur Grenze.
An der Grenze hatten Zoll/BGS einen Posten in einem Container (die ersten Tage im Bauwagen der Gemeinde) eingerichtet. Die DDR Grenzer standen im Bereich der A 4 Abfahrt/Einmündung auf der ehemaligen Landesstraße nach Richelsdorf.
Der unkontrollierte Grenzübergang der ersten Tage wurde von den DDR - Behörden nunmehr wieder geregelt und man benötigte für einige Monate zumindest einen Ausweis und (bis Weihnachten Anm.d.R.) ein Visum zur Einreise.

1990_April Autobahn Obersuhl Grenzöffnung Autobahn Geschichtsverein Wildeck Mauerfall Gerstungen Untersuhl

Die Situation am “West”-Ast bis zum Sommer 1990

(Hans-Karl Gliem) Weitere Entwicklung:
-eine Vielzahl von Demonstrationen für neue Grenzübergänge durch die Bewohner grenznaher Ortschaften beider Seiten,
-gute Zusammenarbeit der örtlichen kommunalen und kirchlichen Kräfte beider Seiten,
-zunächst pragmatische, später bereits fast „kollegiale“ Zusammenarbeit zwischen Angehörige DDR-Grenztruppen und Bundesgrenzschutz/Zoll. Technische Hilfeleistung durch den BGS,
-Verlagerung des Einsatzschwerpunktes in der polizeilichen Grenzüberwachung (BGS/Zoll) und in der Grenzsicherung (DDR-Grenztruppen) in den Bereich der neuen Grenzübergangsstellen,
-Ausbau der Übergänge durch Straßenbauämter und hessische Baufirmen bis in die grenznahen Orte in Thüringen,
-Während der Öffnung neuer Grenzübergänge (im Grenzabschnitt der GSA Mitte Bad Hersfeld
18.11. Ritttmanshausen - Ifta,
09.12. Straße Obersuhl - Untersuhl,
23.12. Herleshausen - Lauchröden,
Willershausen - Pferdsdorf und Wommen - Neustädt)
zum Teil herzzerreißende Szenen nach Jahrzehnten der Trennung (Volksfeststimmung – „Grenzenlose Freude“)

-Zunächst ungewohnt für BGS-Beamte, Einreise von Grenztruppenangehörigen,
-Hohe Zahl von Demontage der Emblemen an Grenzsäulen der DDR und Diebstahl von Grenzhinweisschilder BGS z. B. “HALT HIER GRENZE” (wurde von uns strafrechtlich verfolgt),
-Ausweitung der Nutzung des Grenzinformationspunktes (GIP 9) an der Grenzschutzstelle Herleshausen über die Anwendungsrichtlinien hinaus (bestand seit 1976),
-13.11.1989 Aufhebung der Sperrzone in der DDR,
-Erste offizielle Besuche von Vertretern der Gemeinden Gerstungen (TH) und Wildeck (HE) im November 1989,
-Anfang Dezember 1989 Beginn Abbau der Grenzsicherungsanlagen der DDR und
-24.12.1989 Wegfall Visumzwang für Bundesbürger

Grundsätzlich war der Kontakt zwischen Angehörigen BGS/Zoll und DDR-Grenztruppen noch sehr vorsichtig. Beide Seiten wussten ja nicht, wie sich die deutsch-deutsche Geschichte entwickeln würde. An eine Wiedervereinigung dachte damals noch niemand.
Die wichtigste Aufgabe in der ersten Zeit war die Festlegung der kommenden und zu öffnenden Grenzübergänge in unserem Grenzabschnitt. Dazu wurden zwischen Politikern der grenznahen Ortschaften und Stabsoffizieren der Grenztruppen der DDR und westdeutschen Behörden Absprachen getroffen. Teilweise kamen die Bitten um Treffen über den noch bestehenden Grenzinformationspunkt an der Grenzschutzstelle Herleshausen.
In einigen Fällen sprachen auch Angehörige der DDR-Grenztruppen BGS- oder Zoll-Streifen direkt an, oder umgekehrt. Manchmal waren es auch die Bürger beider Seiten, die diese Entscheidungen forderten.

Der Grenzübergang Autobahn Obersuhl wurde mit Beamten des Grenzschutzeinzeldienstes Herleshausen besetzt, später auch mit Beamten, die sich freiwillig aus dem ganzen GSE meldeten. Kleinere Übergänge waren mit Beamten der GSA Mitte 2 Bad Hersfeld besetzt, wie z.B. an der Straße Obersuhl – Untersuhl. Die Kontrollstellen auf DDR-Gebiet waren anfangs durch Angehörige der DDR-Grenztruppen besetzt, nach nur wenigen Tagen versahen dann Angehörige der Passkontrolleinheit (von den Grenzübergangsstellen Wartha und Gerstungen) dort Dienst. Ich hatte schon mit den Gedanken gespielt, mal DDR-Gebiet zu betreten und Einzelheiten über Standorte, Grenzsicherungsanlagen in Erfahrung zu bringen und Fotos zu fertigen. Leider bestand für alle BGS-Beamten bis zur Wiedervereinigung am 03.10.1990 ein Verbot, DDR-Gebiet zu betreten. Ausnahmen gab es schon und diese wurden durch den Dienstherrn toleriert (z.B. am 24.12.1989, als Führungskräfte BGS und Grenztruppen der DDR mit Vertretern der Gemeinde Wildeck den Kontrollbeamten auf beiden Seiten kleine Geschenke überreichten).

1989_11-21 Blick in Ri Untersuhl Grenzöffnung Autobahn Geschichtsverein Wildeck Mauerfall Gerstungen Untersuhl

Alle Abbildungen auf dieser Seite: Geschichtsverein Wildeck Hans-Karl Gliem

Wir danken dem Geschichtsverein Wildeck für die großzügige Unterstützung

Vergleiche:

A 4 Hörselbergtrasse

Weitere Informationen:

Wildecker Geschichtsverein auf Facebook

Grenzmuseum und Grenzlehrpfad in Wildeck-Obersuhl (Wildeck)

Grenzmuseum und Grenzlehrpfad in Wildeck-Obersuhl (Gerstungen)

Autobahngeschichte  A 4 Thüringer Zipfel- Fertigstellung nach über 50 Jahren

 

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